Zwischen Liebe und Tod, Tierischem und Animalischem, konkreter Dinghaftigkeit und halbbewussten Traumbildern sind die Werke von Annette Schulze Lohoff zu verorten. »Anima in Unordnung« ist der Titel einer in der Tiefe des Bodens verspannten Installation in einem verlassenen Straßenbahndepot. Dort wurde ein gut sechzehn Meter langer, plüschig behaarter, durchlöcherter Hohlkörper, der organisch anmutet, aber auch an Kadaver denken lässt, im Untergrund zwischen zwei Straßenbahngleisen verspannt. Der Eindruck einer zum Trocknen gespannten Haut oder eines Fells lässt zugleich Empfindungen von Wärme und Lust wie auch von Scham und Ekel zu. Schamhafte Assoziationen an weibliche Körperräume oder Öffnungen, vor allem die Uneindeutigkeit des undefinierbar Körperhaften, lösen eher unangenehme Gefühle aus. Anders die Installation »Anima di Venezia«. Hier benutzt Annette Schulze Lohoff zwar auch einen spindelförmigen plüschigen Körper, doch die Form des Bootes, insbesondere der romantisch konnotierten Gondel, gibt zunächst Impulse des Wohlbefindens. Die Sehnsuchtsmetapher für verliebte Zweisamkeit, wärmende Nähe in einem Boot und glückliche Stunden wird in ihrer durch den rosaroten Plüschüberzug gesteigerten Form jedoch als Illusion entlarvt. Denn das dunkle Innere des Bootes lässt gleichzeitig an eine Fahrt über den Styx denken. Das Schiff ist seiner Bedeutung nach ein ständig im Fluss seiendes und Grenzen überschreitendes Gefährt, das in den mythologischen Vorstellungen verschiedener Völker als Symbol für die Überfahrt vom Reich der Lebenden ins Reich der Toten oder auch vom Tag zur Nacht steht. So repräsentiert diese plüschige Gondel den Komplementärkontrast von Illusion und Wahrheit. Sie evoziert Sehnsucht nach Geborgensein und Zweisamkeil und konfrontiert diese mit dem Erlebnis von alltäglichem Kitsch, innerer Kälte und Einsamkeit. Eine ähnliche Ambivalenz der Gefühle kommt auch in der Installation «Das Lieben hat zwei Personen. Das ist beim Lieben der Kummer.« zum Ausdruck. Die audiovisuelle Installation, bestehend aus Stühlen, einer Bildprojektion und gesprochenen, sich überschneidenden Texten schizophrener Autoren, erzeugt Irritationen und stellt die Eindeutigkeit unserer Wahrnehmung, mit der wir Reales und Irreales voneinander trennen, in Frage. Erzählerische Textpassagen und Wortreihungen ohne Syntax werden durch die Gleichzeitigkeit des Abspielens von zwei Stereobandgeräten zu fragmentarischen Bildern, die ein an Regeln orientiertes Verstehen außer Kraft setzen und allein intuitive Annäherungen an Inhaltliches erlauben. Die Erfahrung der Bewusstseinsspaltung lässt sich anhand der multimedialen Projektion, von der, wenn der Strom abgestellt ist, nichts Greifbares bleibt, ein wenig erahnen. Diese künstlerische Arbeit taucht ab in die Urgründe des Lebens, erweitert die Dimensionen unserer bewussten Wahrnehmung und versucht unbekannte Tiefen des vielschichtigen und unergründbaren Seins auszuloten. Text: Ariane Hackenstein |
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